Quelle: e-health-com.de – Wenn sich die Arbeitsgruppe KOM-LE der gematik am Donnerstag zu ihrer turnusgemäßen Sitzung trifft, dann tut sie dies unter neuen Voraussetzungen. Kurz vor dem parlamentarischen Zieleinlauf wurde im Digitale Versorgung Gesetz (DVG) bekanntlich auch die Kommunikation der Leistungserbringer noch einmal zum Thema, und zwar auf zweierlei Weise. Zum einen wurde die Erstattung für elektronische Arztbriefe präzisiert und klargestellt, dass die Förderung von über den KV-Connect-Weg verschickten Arztbriefen zum 30. Juni 2020 ausläuft. Zum anderen, und das war die eigentliche Überraschung, wurde der KBV gestattet, selbst eine KOM-LE-Anwendung zu entwickeln und anzubieten. Sie wird also künftig bei KOM-LE ähnlich agieren können wie heute bei KV-Connect.
Attraktiv dotierter Feldtest soll Ende Januar starten
Die Frage, die jetzt viel diskutiert und sicher auch bei der Sitzung am Donnerstag thematisiert werden wird, lautet, was das genau für die nächsten anderthalb Jahre bedeutet. Geplant ist, dass der erste KOM-LE-Feldtest in Nordrhein-Westfalen ab Ende Januar 2020 in 50 Arztpraxen, 16 Zahnarztpraxen und einem Krankenhaus startet. Basis dürfte die derzeitige KOM-LE-Spezifikation sein, und zum Einsatz wird der jetzt gematik-zertifizierte E-Health-Konnektor der Compugroup Medical (CGM) kommen.
Die CGM wird auch die KOM-LE-Anwendung zur Verfügung stellen. Teilnehmende Ärzte benötigen diese Anwendung für ihr AIS, zusätzlich das Konnektor-Update für die qualifizierte elektronische Signatur und eine KOM-LE-E-Mail-Adresse. Sie müssen fünf Nachrichten mit jeweils einem Dokument als Anhang versenden und empfangen und werden dafür mit knapp 2200 Euro ziemlich attraktiv honoriert. Theoretisch könnte nach erfolgreichem Feldtest die Anwendung im zweiten Quartal zugelassen und dann offiziell vertrieben werden.
Was macht die Konkurrenz?
Da KOM-LE keine komplexe Anwendung ist – es handelt sich letztlich um einen E-Mail-Dienst – sind viele im Markt der Auffassung, dass der geschilderte Zeitplan einigermaßen realistisch ist. Die interessante Frage ist allerdings, was jenseits des CGM-Universums passieren wird. Technisch ist die KOM-LE-Anwendung unabhängig vom Konnektor und vom AIS. De facto benötigt sie aber den signaturfähigen E-Health-Konnektor, den bisher weder Secunet/Arvato noch RISE noch die Telekom zur Verfügung stellen können.
Das ist die Hardware-Seite. Auf Seiten der Software, der KOM-LE-Anwendung, stellt sich ebenfalls die Frage des Anbieters. Nicht jeder Arzt bzw. AIS-Hersteller will eine KOM-LE-Anwendung der CGM nutzen. Es gibt einige andere Unternehmen, die signalisiert haben. KOM-LE-Anwendungen entwickeln zu wollen, aber von denen dürfte niemand bis zum 1. Juli 2020 soweit sein. Das ist vor allem für jene Arztpraxen und AIS-Anbieter hart, die bisher in größerem Maßstab elektronische Arztbriefe und andere Dokumente über KV-Connect versenden. Diese Ärzte werden für die Arztbriefe ab Juli kein Geld mehr bekommen, weil die Förderung ab dann nur für Arztbriefe gezahlt wird, die ein „sicheres Übermittlungsverfahren“, vulgo KOM-LE, nutzen.
Und die anderen Anwendungen?
Möglicherweise wird eine Arztbriefübertragung über KV-Connect ab diesem Termin sogar gar nicht mehr möglich sein. Die Auslegung der Gesetzesformulierungen ist da noch etwas strittig. Auch die eAU, für die innerhalb der KOM-LE-Arbeitsgruppe bereits an einer Anwendungsspezifikation gearbeitet wird, könnte obligat an KOM-LE gekoppelt werden. Völlig unabhängig von diesen beiden gesetzlich geregelten Anwendungen stellt sich die Frage, wie mit den weiteren Anwendungen umgegangen werden soll, die KV-Connect heute schon beherrscht. Dazu zählen die Datenübertragung im DMP-Kontext und das berufsgenossenschaftliche DALE-UV-Verfahren.
Mehrheitsmeinung aktuell ist, dass KV-Connect nicht zuletzt wegen der zusätzlichen Anwendungen zunächst parallel zu KOM-LE weitergeführt werden sollte, bevor dann eine erweiterte Spezifikation von KOM-LE vorliegt, die die bisherigen KV-Connect-Funktionen umfasst und die einen schrittweisen Migrationsprozess ähnlich jenem erlauben würde, den es beim Übergang von D2D auf KV-Connect gab. Anhänger eines „harten Schnitts“, der KV-Connect zu Ende Juni 2020 beenden würde, scheinen im Moment in der Minderheit zu sein, nicht nur weil funktionierende Übertragungen aufgegeben würden, sondern auch, weil es vertragliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit KV-Connect gibt, die nicht so einfach ignoriert werden können. Klar ist aber auch, dass es eng wird für KV-Connect, falls es ab Juli gar nicht mehr für Arztbriefe und später auch nicht für die eAU genutzt werden darf.
Warten auf die KBV
Vor diesem komplexen Hintergrund wird verständlich, warum jetzt viele gespannt darauf warten, wie KBV und KV Telematik agieren werden. Die Frage ist zum einen, ob die KV Telematik auf Basis der Spezifikation 1.0 eine eigene KOM-LE-Anwendung entwickeln und vielleicht sogar versuchen wird, damit noch bis Mitte 2020 fertig zu werden. Das wäre eine ziemliche Herkulesarbeit, aber es würde in Teilen des Marktes sicherlich wohlwollend aufgenommen, und wahrscheinlich fänden sich Praxen und Arztnetze, die relativ schnell aufspringen würden.
Damit könnte man seitens KBV eine Alternative für eArztbriefe und eAU anbieten. Die Alternative aus KBV-Sicht wäre, erst mit der Nachfolgespezifikation in den Ring zu steigen. Mit dieser Entscheidung wird man sich in Berlin nicht mehr allzu lange Zeit lassen können, zumal auch andere potenzielle Anbieter von KOM-LE-Anwendungen wissen wollen, wie es weitergeht und ob es sich lohnt, eigene Anwendungen und Tests voranzutreiben.
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